Computerspiele bieten vielfältige Aneignungsformen jenseits des zielorientierten Durchspielens. Mit den zunehmend komplexeren grafischen Welten etablierte sich in Rollenspielen und MMORPGs die In-Game-Photography als eigenes Genre der modernen Fotografie, als eine Form der photographie de synthèse (Marc-Olivier Paux, 2011). Diese Praxis kann als Computerspieltourismus oder Video Game Tourism bezeichnet werden (Rainer Sigl, 2012), teilt sie doch zahlreiche Gemeinsamkeiten mit touristischen Fotografien: Die Abbildung der eigenen (Spiel-)figur vor Sehenswürdigkeiten und stimmungsvollen Landschaften, die Dokumentation der Reise resp. des Spielverlaufs oder die Suche nach ästhetisch ambitionierten Formen, für die der Fotograf besondere Strapazen auf sich zu nehmen bereit ist. Durch die Wandlung des Spielerverhaltens von Ludus zu Paidia (Roger Caillois, 1958) wird eine bewusste Subversion des vorgesehenen Ablaufs und der voreingestellten Perspektive des Spiels in Kauf genommen, Fototouristen bewegen sich nicht nur auf ausgetretenen Pfaden und verfolgen nicht nur die vorgesehenen Ziele. Mit der Dokumentation von Glitches eröffnet die In-Game-Photography zusätzlich neue Sichtweisen auf Spielwelten und trägt zur visuellen Dekonstruktion des Mediums Computerspiel bei.
Tourismus und der Tourist Gaze sind gekennzeichnet durch die grundsätzliche Unterscheidung zwischen dem Gewöhnlichen und dem Außergewöhnlichen (John Urry, 2011, S. 15 f.). Dieses Außergewöhnliche wird erfahren durch einzigartige und berühmte Objekte, durch typische Zeichen, die aus Reiseführern und Fotografien bekannt sind und erwartet werden, durch unvertraute und neue Aspekte im Bekannten, durch gewöhnliche Aspekte in ungewöhnlichen Kontexte oder durch Anzeichen, dass ein normal erscheinendes Objekt in Wahrheit außerordentlich ist. Meisterhafte In-Game-Fotografen wie Duncan Harris (Deadendthrills.com), James Pollick (Virtual Geographic) oder Andrew Cull (Flickr) zeigen das Außergewöhnliche in Welten des Fantastischen, an die sich Spielerinnen und Spieler im Laufe der Zeit gewöhnt haben. Das Spiel erscheint erneut als ‚fremde, exotische Welt‘ und das Spielen als ‚Kurzurlaub‘ (Stefan Werning 2013).
Screenshot-Wettbewerb
Mit dem Screenshot-Wettbewerb und der daran anschließenden Ausstellung Computerspielwelten wollen wir an diese kulturelle Praxis anschließen und die visuelle Form zeitgenössischer und gerne auch älterer Computerspiele erkunden. Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind eingeladen, ihre Beiträge über das Formular einzureichen. Folgende Randbedingungen sind dabei zu beachten:
- In den Bildern sollte ein fotografischer Gestaltungswille erkennbar sein. Ein Screenshot aus einer Cutscene, einem 2D-Spiel mit fester Kamera oder ein Ladebildschirm sind weniger interessant als ein individuell komponiertes Bild oder ein gelungener Schnappschuss einer frei beweglichen 3D-Kamera.
- Die Bilder müssen selber gemacht sein. Kopien oder Ausschnitte von Fundstücken aus dem Internet sind von der Teilnahme ausgeschlossen.
- Die Auflösung sollte so hoch wie möglich sein, da wir die besten Bilder drucken und ausstellen möchten. Ein Bild, das nicht druckbar ist, kann höchstens eine lobende Anerkennung erhalten.
- Die Bilder sollten minimal bearbeitet sein. Die Einschränkung des Ausschnitts sowie eine globale Korrektur der Kontraste und der Helligkeit sind zulässig, Montagen und Retuschen nicht. Es geht um Fotos, nicht um Collagen.
- Die Größe eines Bildes darf 20 MB nicht überschreiten, es dürfen aber mehrere Bilder (max. fünf pro Person) eingereicht werden.
- Geben Sie einen aussagekräftigen Bildnamen, der im besten Fall auch der Dateiname ist.
- Neben Bildern von künstlerisch durchgearbeiteten Produktionen sind wir auch an Screenshot von Nachwuchs-Spielen und studentischen Projekten interessiert. Hierfür wird es ggfs. eine Extra-Kategorie geben, die außer Konkurrenz zu den übrigen Spielen gewertet wird.
- Einsendefrist war der 31. Juli 2024