14.–15. November 2019 | Universität Bayreuth | Organisation: Dr. Kathrin Rothemund
Durch die Veränderungen, die nicht zuletzt mit digitaler Aufnahme- und Distributions-Technik Einzug in die audiovisuelle Gestaltung erhalten haben, scheint in den letzten Jahren der Bildschärfe und somit auch ihrer Antithese, der audiovisuellen Unschärfe, eine besondere Stellung zuzukommen. Angefangen vom Scharfstellen durch den Vorführer zu Beginn einer analogen Filmprojektion, über die verwackelten Handyaufnahmen aus Kriegs- und Gefechtssituationen des Arabischen Frühlings, deren Authentifizierung zur Problemstellung zeitgenössischer Fernsehnachrichten werden, bis hin zum „Schärfer als die Realität erlaubt“ des HD-Fernsehens oder zur Fokussierung der Zuschauer*innen durch ihre eigene Blicklenkung lassen sich vielfältige Momente der Blick- und Bild(ent)schärfung diskutieren.
In Bildern der Schärfe und Unschärfe werden das Wechselverhältnis von Fakt und Fiktion, von Subjektivität und Objektivität, von Traum und Realität, von Zeit und Raum verhandelt. Un|Scharfe Bewegtbilder verhandeln über Fragen der Zeugenschaft und der Subjektpositionierung das Verhältnis von gegenständlichen und mentalen Bildern, die in ihrem Wechselverhältnis auf Idealvorstellungen des Scharfsinns verweisen. Dies lädt zum Nachdenken über die allen Bildern (vermeintlich) zugrundeliegende Schärfe und Klarheit ein und antizipiert in der Unschärfe und Vagheit das, was nicht vollständig ist, aber gewesen ist, sein kann oder sein wird und es lassen sich in Bildern der Unschärfe, Vagheit oder Verschwommenheit visuelle Unbestimmtheitsstellen aufzeigen, die in sich die Potentialität von Klarheit und Schärfe tragen, welche einerseits durch eine apparative Nachjustierung oder andererseits durch eine ästhetische Auflösung eingelöst werden können. Un|scharfe Bilder propagieren Wahrnehmungsutopien der Schärfung und reflektieren dabei technische Aspekte medialer Anordnungen. Der Akt der Schärfung kann als eine Geste der Sichtbarmachung oder der Unsichtbarmachung verstanden werden und dient dabei nicht nur dem Ent-, sondern auch dem Verwerfen. Un|Schärfe fungiert als eine Denkfigur audiovisueller Bildproduktion, in der sich metaphorische Felder mit epistemologischen und anthropologischen Zugängen überlagern.
Un|scharfe Bilder stellen durch ihre Unbestimmtheit Mehrdeutigkeit und Potentialität dar oder auch her. Die Möglichkeit zur Abbildung von Denkfiguren und Wahrnehmungsbildern über Un|Schärfe setzt ein spekulatives Mitdenken der Rezipient*innen voraus, da die Unschärfe auf die Möglichkeit des Scharfstellens oder eine Schärfeverlagerung verweist und immer bereits einen möglichen Wandel der Bilder und damit eine andere Bewegung in der Zeit suggeriert.
Die Widerständigkeit und Potentialität der Un|Schärfe ist dabei an verschiedenen audiovisuellen Artefakten und Apparaturen zu thematisieren, um gleichermaßen ihre Dysfunktion als auch ihre Produktivität herausarbeiten zu können. In einem Symposium zur audiovisueller Un|Schärfe soll daher nach den aufnehmenden Techniken, den wiedergebenden Apparaturen und den wahrnehmenden Subjekten gefragt, Erkenntnismodi reflektiert und Diskussion zum Verhältnis von Subjektivität und Objektivität, zu Wahrnehmung und Imagination und zu Technik und Ästhetik geführt werden.