Lernabschnitt 5: Warum
sollte ich sicher
Kommunizieren? (2
Stunden)
Auf die Frage, warum man sicher kommunizieren sollte, bekommt
man
häufig die Antwort „Ich habe doch nichts zu
verbergen!“. Die Antwort mag in den meisten Fällen
sogar
zutreffend sein. Doch wer hat nicht schon einmal seine Telefonnummer,
seine Adresse, oder sogar seine Bankverbindung unverschlüsselt
übers Netz geschickt (man denke z.B. an
Reisekostenabrechnungen)?
Man würde vermutlich nie auf die Idee kommen, solch sensible
Daten
auf eine Postkarte zu schreiben – was im Wesentlichen der
Kommunikation per E-Mail entspricht. Trotzdem herrscht im Umgang mit
dem System E-Mail ein leichtfertiger Umgang, der meist auf der
Unwissenheit über die dabei entstehenden Gefahren basiert. Und
selbst wenn man sich entscheidet, sicher mit den eigenen E-Mails
umzugehen, fehlt häufig beim Kommunikationspartner die
nötige
Infrastruktur, um das eigene Vorgehen umzusetzen. Entscheidend ist also
zu erkennen, welche Informationen einer sicheren Kommunikation
bedürfen – als Faustregel gilt hier: Ich sollte
nichts in
eine unverschlüsselte E-Mail schreiben, das ich nicht auch auf
eine Postkarte schreiben würde.
Verlässt man das Feld der privaten und betrachtet die
wirtschaftliche Kommunikation, so muss man die Anforderungen an die
E-Mail-Sicherheit wesentlich höher ansetzen. Als
zukünftige
Mitglieder und Entscheidungsträger der Wirtschaftswelt,
müssen die Schülerinnen und Schüler
erkennen, dass
sicherer E-Mail-Verkehr in Unternehmen unbedingt notwendig ist. Die
Kommunikation zwischen und innerhalb von Unternehmen ist weitaus
sensibler, da sie als Angriffsziel dem potentiellen Hacker einen
größeren monetären Gewinn verspricht.
In diesem letzten Abschnitt der Unterrichtseinheit sollen die
Schülerinnen und Schüler die Einsicht gewinnen, dass
sichere
E-Mail-Kommunikation nichts mit Paranoia oder Sicherheitswahn zu tun
hat, sondern eine sinnvolle Maßnahme ist, sich gegen kriminelle
Aktivitäten präventiv zu schützen. Um dies
zu bewerkstelligen, müssen die Schülerinnen und
Schüler zunächst identifizieren, wer ein Interesse
daran hat,
Kommunikation abzuhören und welche Intentionen diese Akteure
besitzen. Dabei sollen sie auch erfahren, welchen Wert das Recht auf
freie
Kommunikation überhaupt darstellt: Kommunikationsfreiheit darf
nicht als selbstverständliches Gut wahrgenommen werden.
Weiterhin
muss auch auf die Gefahr der Nutzung von
Verschlüsselungssystemen
hingewiesen werden: Wer z.B. in China eine nicht-staatlich freigegebene
Verschlüsselung benutzt, der macht sich bereits strafbar und
selbst in den USA wurde der Export von
Verschlüsselungssystemen
lange Zeit als Waffenexport angesehen (man betrachte den Fall
„PGP“) . Dies führt zu der Frage, welches
Interesse
Staaten besitzen könnten, Kommunikation abzuhören und
protokollieren. Hier sei jedoch gleich erwähnt, dass Staaten
sehr
wohl ein gerechtfertigtes Interesse daran haben können,
Kommunikation zu kontrollieren – und zwar genau dann, wenn es
der
Kriminalitätsbekämpfung und Gefahrenabwehr dient.
Entscheidend ist dabei, dass es staatliche Kontrollstrukturen gibt, die
den Missbrauch (z.B. Industriespionage) durch eigene staatliche
Strukturen verhindern.
Den Nutzen von E-Mail-Sicherheit und den Wert von
Kommunikationsfreiheit zu erkennen, sehen wir somit als Bestandteil der
Erziehung der Schülerinnen und Schüler zu
mündigen
Bürgerinnen und Bürgern.
Sachanalyse
Im letzten Lernabschnitt der Unterrichtseinheit wird die Frage
„Warum sollte ich sicher kommunizieren?“
exemplarisch durch
die Beschäftigung mit vier Themen in einem
Gruppenpuzzle
(mehr zur Methode Gruppenpuzzle in der Beschreibung der
Unterrichtsstunden) beantwortet. Die Themen sind:
- Das Echelon-System: Das Echelon-System ist ein
weltumspannendes
Abhörsystem der UKUSA-Staaten (USA, Großbritannien,
Australien, Kanada, Neuseeland). Die Existenz des Systems gilt
spätestens seit einem durch die EU geführten
Indizienbeweis
als gesichert („Bericht über die Existenz eines
globalen
Abhörsystems für private und wirschaftliche
Kommunikation
– Abhörsystem ECHELON, 2001/2098 [INI]“).
Das System
dient hauptsächlich zum Abfangen von Satellitenkommunikation,
deren Anteil an der globalen Kommunikation ca. 5% ausmacht. Das
Abhören von Kommunikation ist Staaten nicht per se verboten
– solange der Zweck des Abhörens der Abwehr von
Gefahren und
der Bekämpfung von Drogen-, Waffenhandel, oder sonstiger Kriminalität
dient. Seitens der EU besteht jedoch die Befürchtung, dass ein
solches System auch zur Wirtschaftsspionage genutzt werden
könnte.
- DE-Mail: DE-Mail ist Bestandteil des so genannten
Online-Bürgerportals. DE-Mail soll als eine sichere
Kommunikationsstruktur zwischen Bürgern, Behörden,
Banken,
Versicherungen und Privatfirmen dienen. Da eine offizielle
Kommunikation mit Behörden bisher nur durch Briefpost
möglich
ist, die Behörden aber heutzutage fast vollständig
mit
elektronischen Mitteln arbeiten, entsteht eine Doppelstruktur aus
Papier- und elektronischen Unterlagen. DE-Mail soll es erlauben,
rechtsverbindlich auch per E-Mail zu kommunizieren. Das System steckt
zur Zeit noch in den Kinderschuhen – grundlegende
Sicherheitsbedenken wurden zuletzt von den Datenschutzbeauftragen des
Bundes und der Länder geäußert (siehe
Arbeitsbogen:
DE-Mail). Das Motto von DE-Mail „So einfach wie E-Mail, so
sicher
wie Briefpost – verschlüsselt, authentisch,
nachweisbar“ hängt unmittelbar mit den von den
Schülerinnen und Schülern erarbeiteten Anforderungen
an
sichere Kommunikation zusammen.
- Kommunikationsfreiheit: Das Themengebiet
„Kommunikationsfreiheit“ eröffnet die
Frage, wie und
warum Staaten E-Mail-Verkehr kontrollieren können. Neben den
technischen Aspekten des Abhörens gilt es auch zu beantworten,
welches Interesse Staaten daran haben können, die
Kommunikation
ihrer Bürgerinnen und Bürger zu überwachen.
Dabei werden
die in Deutschland geltenden Rechtsnormen (Art. 5 Abs. 1 GG) mit
Rechtsnormen aus anderen Ländern in Verbindung gesetzt.
- PGP („Pretty Good Privacy“): PGP ist
ein hybrides
Verschlüsselungssystem, das asymmetrische
Verschlüsselungsverfahren, sowie die digitale Unterschrift
nutzt.
Auch wenn die technischen Aspekte von PGP innerhalb der
Unterrichtseinheit im Mittelpunkt stehen, erlaubt die Beschäftigung mit der
Geschichte des Systems einen spannenden Einblick in den Umgang von
Staaten mit Verschlüsselungssystemen. Der US-Amerikaner Phil
Zimmermann, der PGP entwickelte, stieß in der Anfangszeit von
PGP
auf heftigen Widerstand von Seiten der Regierung. Der Export des
Systems wurde verboten – er fiel unter die geltenden Gesetze
für den Waffenexport. Zimmermann umging dieses Verbot, indem
er
den gesamten Quelltext des Systems in Buchform druckte und
veröffentlichte. Freiwillige Helfer im Ausland tippten den
Code ab
und ermöglichten somit die Verbreitung von PGP. Mittlerweile
ist
auch in den USA der Export von Verschlüsselungssystemen nicht
mehr
den strengen Gesetzen des Waffenhandels unterworfen. Diese Episode
wirft jedoch – wie auch in den drei anderen Themengebieten
– die Frage auf, welches Interesse Staaten an der
Kommunikation
ihrer Bürgerinnen und Bürger haben können
(und haben
sollten).
Standardbezug
Die Schülerinnen und Schüler ...
- … benennen Wechselwirkungen zwischen
Informatiksystemen und ihrer gesellschaftlichen Einbettung.
- … nehmen Entscheidungsfreiheiten im Umgang mit
Informatiksystemen wahr und handeln in Übereinstimmung mit
gesellschaftlichen Normen.
- … begründen Entscheidungen bei der
Nutzung von Informatiksystemen.
- … kommunizieren fachgerecht über
informatische Sachverhalte.
Stunden
18/19: Gruppenpuzzle zur
Informationsfreiheit
Der finale Abschnitt der Unterrichtseinheit wird in Form
eines
Gruppenpuzzles durchgeführt. Die Arbeitsteilung ist notwendig,
um
den Schülerinnen und Schülern zu
ermöglichen, die
Fülle der Informationen zu erfassen und erlaubt es ihnen, sich
in
kooperativer Arbeit zu üben.
Das Gruppenpuzzle läuft dabei wie folgt ab: Die
Schülerinnen
und Schüler finden sich in den so genannten Stammgruppen
zusammen.
Jedes Mitglied der Stammgruppe erhält ein Thema (Themen:
Echelon,
DE-Mail, PGP und Kommunikationsfreiheit).
Anschließend
bilden alle Schülerinnen und Schüler neue, so
genannte
Expertengruppen. Die Expertengruppen setzen sich aus den Mitgliedern
der Stammgruppen zusammen, die das selbe Thema besitzen. In den
Expertengruppen wird zunächst anhand der
Arbeitsblätter und
eigener Recherche in Einzelarbeit das Thema erfasst und
anschließend in Gruppenarbeit ein 3-5-minütiger
Vortrag
erarbeitet, der in Folge innerhalb der Stammgruppen gehalten wird.
Somit ist jede(r) Schüler(in) für den Lernerfolg
seiner
Stammgruppemitglieder verantwortlich. Während der
Vorträge
notieren sich die Zuhörer Stichpunkte, die es ihnen
ermöglichen, die Leitfragen des Gruppenpuzzles zu beantworten.
Die Sicherung der Arbeitsergebnisse erfolgt im Plenum: Der Lehrer / Die
Lehrerin projiziert die Leitfragen des Gruppenpuzzles per
Beamer/OH-Projektor. Die Schülerinnen und Schüler
beantworten
diese auf Basis ihrer Notizen aus den Vorträgen. Dabei sollten
sich die Schülerinnen und Schüler, die
„Experte“
in dem Thema sind, zunächst zurückhalten und nur
eingreifen,
wenn ihre Stammgruppenmitglieder nicht dazu in der Lage sind, die
Leitfragen zu beantworten.
Hinweis:
Die Methode
„Gruppenpuzzle“ erzeugt durch die Gruppenwechsel
erfahrungsgemäß ein Durcheinander. Die Hauptaufgabe
der
Lehrerin / des Lehrers ist es, die Gruppen zu koordinieren. Es wird
vorgeschlagen, die Gruppenzugehörigkeiten festzuhalten (vor
allem
wenn das Gruppenpuzzle auf zwei Einzelstunden aufgeteilt wird). Optimal
ist, wenn zwei Räume vorhanden sind, auf die sich die
Schülerinnen und Schüler aufteilen können.
Die in der
Stunden- übersicht angegebene Dauer der einzelnen Phasen
(s.u.) ist
nur ein Richtwert – grundsätzlich sollte gewartet
werden,
bis alle Gruppen bereit sind, ihren Vortrag zu halten. Ein
frühzeitiges Unterbrechen der Expertenphase führt zu
einer
unzureichenden Qualität der Vorträge.
=> Verlaufsplanung Stunden 18/19
Material