Russische Propaganda oder zeitloses politisches Kino?
Eine Kritik zum Film PANZERKREUZER POTEMKIN
— Eine Kritik von Larissa Sedlmeier —
Dieser Film ist etwas Besonderes. Er ist anders und er trifft die Wahrheit auf den Punkt. So jedenfalls sieht Siegfried Kracauer Panzerkreuzer Potemkin, einen Film aus dem Jahre 1925 vom Regisseur Sergei Eisenstein. Der Film behandelt das russische Revolutionsjahr 1905 anhand einer fiktionalen Geschichte, auf dem Kriegsschiff namens Potemkin. Auf dem Schiff entsteht eine Meuterei der Matrosen wegen verdorbenem Fleisch, sie wehren sich gegen ihre Vorgesetzten und bildlich gesprochen gegen die gesamte Zarenherrschaft. Als einer der Matrosen dann bei den Unruhen ums Leben kommt, schwappt die revolutionäre Stimmung auf die Hafenstadt Odessa über und der Zuschauer kann in der imposanter Kulisse der Hafentreppe das Volk gegen die zaristsichen Kosaken aufbegehren sehen. Als die Potemkin schließlich den Hafen wieder verlässt, sind ihr entgegenkommende Kriegsschiffe angewiesen das Feuer zu eröffnen, die Matrosen widersetzen sich aber den Anweisungen und der Film endet mit den Worten „Brüder”.
Kracauer beschreibt das Ende des Films als Abbruch. Was die Sache aber spannend macht ist, dass er von einem Muss des Abbruchs spricht. Womöglich sieht er hier die Grenze dessen erreicht, was er zuvor als Andersartigkeit oder Wahrheit bezeichnet. Er scheint allzu fasziniert und schon fast ehrfürchtig darüber, dass Potemkin eine wahre Begebenheit behandelt. Diese Tatsache unterscheidet ihn deutlich von den zeitgenössischen Filmen aus Europa oder den USA. Es geht Kracauer um die Botschaft die vermittelt wird: Potemkin zeigt die Verbrüderung des russischen Volkes gegen die Zarenherrschaft, er zeigt wie sich Menschen zusammen gegen ‚Unrechtes’ auflehnen, er vermittelt eine Position, er macht Mut und er fordert die Zuschauer auf, die filmischen Geschehnisse auf ihre eigene Situation zu beziehen. Der Film ist politisch. Immer wieder führt Kracauer das „durchstoßen der Wand” oder das „lüften des Vorhangs” an. Er geht davon aus, dass der Zuschauer mitgenommen wird, in eine Welt, die ihm sonst verborgen bleibt – sei es im Kino durch westliche Filme oder sei es in der Realität durch zu wenig soziales oder politisches Engagement. Vielleicht ist es genau das, worauf Kracauer anspielen möchte. Das eine sind die Filme, die für ihn durchaus zur politischen Bildung beitragen sollen, das andere ist aber auch ein bestimmtes Verhalten, das er von den Menschen einfordert. Er fordert Courage, sich nicht vor Ereignissen zu verschließen oder sich durch Belanglosigkeiten und Unterhaltung ablenken zu lassen sowie aktiv zu werden und gegen Missstände einzustehen, in welcher Form auch immer. Um so ein Verhalten zu erreichen sind Filme für Kracauer ein gesellschaftliches Instrument und womöglich auch Denkanstöße und Auslöser. Ja, für ihn soll der Film auch Sprechorgan des Volkes sein. Ein Film ohne Botschaft, ohne Realität ist für ihn eine Belanglosigkeit, die gerade dazu dient zu verdrängen und zu unterhalten. Er schreibt also einem Film eine so stark ausgeprägte politische Funktion zu, die sogar Menschen dazu bewegt ihre eigene Situation zu reflektieren und mit Altbekanntem zu brechen. Weiterlesen →