Lotte Eisner. Im Bann der Korridore und Treppen.
Eine Kritik in drei Akten.

— Eine Kritik von Isil Sanli

Akt 1: Das Wachsfigurenkabinet

Das Wachsfigurenkabinett erschien im Jahr 1924, unter der Regie von Paul Leni und ist eine deutsche Produktion. Dieser Film gehört zu einer Reihe bekannter Werke des deutschen Expressionismus, wie auch Nosferatu und Der Golem, wie er in die Welt kam. Es handelt sich um einen 83-minütiger Stummfilm, der in drei Episoden eingeteilt ist. Die ursprünglich geplante vierte Episode musste aufgrund von mangelnder Finanzierung aufgegeben werden.

Ein kurzer Einblick in die Handlung: Die drei Episoden werden von einer Rahmenhandlung eingeleitet, in der ein namenloser Dichter sich in einem Wachsfigurenkabinett um eine Stelle bewirbt. Hier soll er über die Figuren Harun al Raschid, dem Zar Iwan und Jack dem Bauchaufschlitzer eine Geschichte schreiben. In den folgenden Episoden verkörpert der Dichter jeweils, gemeinsam mit der Tochter des Schaustellers, die Figuren der Geschichten.

Episode 1: Harun al Raschid, der Kalif von Bagdad, möchte die Frau eines Bäckers verführen. Die Bäckersfrau überlistet den Kalifen und rettet so ihren Mann.

Episode 2: Der Zar Iwan der Schreckliche fürchtet sich sehr vor seinem Tod. Gleichzeitig ist er sehr grausam und foltert Menschen im Verlies seines Palastes. Am Ende der Geschichte glaubt er selbst von seinem eigenen Giftmischer vergiftet worden zu sein und verliert den Verstand, da er nicht wirklich vergiftet wurde.

Episode 3: In der Schlusssequenz des Films werden die Tochter des Schaustellers und der Dichter von Jack dem Bauchaufschlitzer  verfolgt und der Dichter, der in den beiden Episoden zuvor mit seiner Geliebten vereint wurde, wird vom Bauchaufschlitzer erstochen. Doch auch hier stellt sich heraus, dass es nur ein Traum war. Der Film endet mit der Vereinigung des Dichters mit der Tochter des Schaustellers. Weiterlesen

Auf den Spuren des Pestbringers.
Eine Kritik zu NOSFERATU (1922)

— Eine Kritik von Mirko Hanel

F. W. Murnaus Werk Nosferatu – eine Symphonie des Grauens (1922) ist ein Klassiker. Der Stummfilm, nach der Buchvorlage Dracula, wird als erster Vampirfilm angesehen, der dem deutschen Expressionismus zuzuordnen ist. Er wird oft verglichen mit Werken wie Das Kabinett des Dr. Caligari. Nach beinahe hundert Jahren sind restaurierte Versionen erschienen, aber die Wirkung der ursprünglichen Bilder hat sich verändert. Unsere Sehgewohnheiten lassen sie in einem anderen Licht erscheinen. Murnaus Film ist ein Meisterwerk, aber was von dem unsterblichen Vampir ist wirklich zeitlos geblieben?

Murnau schafft es, den Grafen Orlok als düster, gruselig und unmenschlich zu inszenieren, mit langen Schatten und verzerrten Körperformen, die zwar an Menschen erinnern, aber immer wieder unnatürliche Züge aufweisen. Die Finger des Grafen sind lang und spitz, seine Bewegungen starr und teilweise ruckartig. Es wirkt, als würde er selbst an unsichtbaren Fäden gezogen, einerseits in die Höhe, dass seine schmale Linie majestätisch einschüchternd wirkt. Auch sein geisterhaftes Auferstehen aus dem Sarg, welches ihn komplett starr bleiben lässt, wirkt übernatürlich, befremdlich und irritiert. Diese Elemente verursachen noch heute einen ähnlichen Effekt, sie suggerieren Magie und Übernatürliches. Nosferatu funktioniert dabei nicht auf der Ebene der modernen Jump-Scares – der Horror haftet dem Stummfilm an, wie eine pechschwarze Aura. Weiterlesen

Die verwinkelten Gassen des Geistes –
Das Irren des jungen Francis

— Eine Kritik von Victoria Mandl —

Eine ganz persönliche und aktuelle Perspektive auf den historischen Klassiker Das Cabinett des Dr.Caligari (1920) von Robert Wiene, orientiert an den mittlerweile selbst historischen, kritischen Worten Lotte Eisners, die in ihrer 1955 erschienen Monografie Die Dämonische Leinwand Wienes Werk ausführlich kommentiert.

Ein Film von starker Eigenart, so betitelt Lotte Eisner Robert Wienes Film Das Cabinett des Dr. Caligari (1920). Verurteilt sie damit Wienes Werk als eigenartig im Sinne von seltsam, skurril, absonderlich, kurios oder gar grotesk, oder meint Eisner hier nicht vielleicht etwas ganz anderes? Im ersten Moment scheint „starke Eigenart“ als merkwürdige, mehrdeutige Formulierung um einen Film zu beschreiben, doch trifft diese Beschreibung meiner Meinung nach genau die Faszination, welche Das Cabinett des Dr. Caligari auch heute noch, fast 100 Jahre nach seinem ersten Erscheinen, hervorruft. Eben diese Faszination möchte ich auf den folgenden Seiten mit Lotte Eisners und meinen Worten aufs Papier bringen. Weiterlesen