Ein Film für die ganze Familie, diesmal wirklich!

— Eine Kritik von Ildikó Mod

Icare spielt gerne mit Bierdosen, er ist ein neun jähriger Junge mit blauen Haaren großen rosa Ohren und noch einem viel größeren Kopf und er möchte Zucchini genannt werden, denn so nennt ihn auch seine Mutter.

Mein Leben als Zucchini (Original: Ma vie de courgette) ist ein stop-motion animierter Film mit Liebe zum Detail für Jung und Alt. Der kleine Zucchini lebt allein mit seiner alkoholsüchtigen Mutter, die nur vor dem Fernseher sitzt und sich Liebesfilme ansieht. Sein Vater ist schon vor vielen Jahren verschwunden, er mochte junge Hühner sehr gern meint Zucchini. Ab und zu rollen Bierdosen über den Boden aus welchen sich der kleine Junge mit dem großen Kopf Türme baut.

Aufgrund eines unglücklichen Zwischenfalls stirb seine Mutter, er muss ins Kinderheim und die Geschichte beginnt. Erst muss er sich einleben und lernen, wie er mit den anderen Kindern umgeht, denn nicht alle sind im freundlich gesinnt. Doch schnell stellt sich heraus, dass jeder sein Päckchen zu tragen hat und es Gründe für das außergewöhnliche Verhalten der Kinder gibt. Drogenmissbrauch, Vergewaltigung, Gewalt, Zwangsneurosen, Kriminalität und Abschiebung. Was für die Kinder nur angedeutet wird, ist für die erwachsenen Zuschauer umso klarer. „Der Vater von Alice hat irgendwelche Sachen mit ihr gemacht. Irgendetwas widerliches, weiß auch nicht genau. Alice hat deswegen immer Alpträume gehabt, jede Nacht. Jetzt sitzt er im Gefängnis.“

Als das Kinderheim Zuwachs in Form von Camille, einem aufgeweckten, frechen Mädchen bekommt, kommt wieder frischer Wind unter die Truppe. Das Problem ist nur das Camilles Tante, eine arrogante, selbstsüchtige Frau, unbedingt möchte, dass sie aus dem Heim zu ihr kommt. Den Erzieherinnen spielt sie vor, dass sie dies aus Liebe zur ihrer Nichte so wolle, doch Camille ist klar, dass sie nur das Erbe ihrer Eltern einstreichen möchte. Die Kinder wollen das nicht einfach nicht geschehen lassen und ergreifen die Initiative.

Die Themen, die in diesem Film behandelt werden sind nicht immer einfach und man kann sich fragen, ob der Film wirklich mit FSK 0 freigegeben sein sollte. Doch durch gemeinschaftliche Szenen, wie einem gemeinsamen Ski Urlaub und einer dort stattfindenden Party, bei der die Kinder ausgelassen zu dem deutschen 80er Jahre Hit „Eisbär“ von Grauzone tanzen, erhält der Film Leichtigkeit, Hoffnung und eine ganz wichtige Botschaft, die definitiv an das junge Publikum weitergegeben werden kann: Es wird dir nicht immer gut gehen, aber das ist nicht schlimm, denn du bist nicht allein. Es geht ihnen nicht immer gut, sie haben viel durchgemacht, doch sie lassen sich davon nicht unterkriegen und stärken sich gegenseitig den Rücken.

Dem Film schwingt an vielen Stellen ein trauriger, melancholischer Unterton mit, der neben der Story auch durch die wundervolle Musik von Sophie Hunger geprägt ist. Trotz der Kürze von 65 Minuten hat Regisseur Claude Barras es geschafft, den Charakteren Tiefe zu geben und den Roman „Autobiographie D’une Courgette“ des Autors Gilles Paris gemeinsam mit Drehbuchautorin Céline Sciamma gelungen zu adaptieren. In Cannes hatte die französisch-schweizerische Koproduktion ihre Premiere und wurde daraufhin auf vielen namenhaften Filmfestivals, wie unter anderem dem San Sebastian Film Festival, DOK Leipzig und dem BFI London Film Festival gespielt und räumte einige Preise ab. Sogar eine Golden Globe und eine Oscar Nominierung in der Kategorie „Bester Animationsfilm“ konnte der Film die Seine nennen.

Für die goldenen Trophäen hat es leider nicht ganz gereicht, doch die Deutsche Film- und Medienbewertung verlieh dem Film das höchste Prädikat „Besonders wertvoll“ und von der European Film Academy wurde er in der Kategorie „Bester europäischer Animationsfilm 2016“ ausgezeichnet.

Mein Leben als Zucchini ist ein liebevoller Film, der sich traut auch die Schattenseiten des Lebens zu zeigen und den Kindern keine heile Welt vorspielt. Stattdessen zeigt er, wie man trotz allem Sonne ins Leben bekommt und das man mit Vertrauen und Zuversicht alles schaffen kann. Das macht in definitiv zu einem sehenswerten Film und so ungern ich es sage: Für die ganze Familie.