Der Phoenix aus dem Untergrund
— Eine Kritik von Anna Willkommer —
In Live by Night (2017) überzeugt Ben Affleck nur teilweise vor, umso mehr dafür aber hinter der Kamera.
Joe Cofflin (Ben Affleck) ist ein Gesetzloser, kein Gangster, wie er selbst im Kriminalfilm Live by Night immer wieder betont. Zurück aus dem Krieg vertreibt sich Joe die Nächte in Boston mit Raubüberfällen und gerät zwischen die Fronten der irischen und italienischen Mafia, die gerade ihre Kreise enger ziehen. Die Untergrundpolitik würde Joe nur wenig interessieren, hätte er sich nicht in die Informantin für seine Überfälle verliebt. Emma (Sienna Miller) ist aber die Freundin des irischen Mafia-Bosses Albert White (Robert Glenister), und diese Affäre wird Joe zum Verhängnis: die italienische Mafia will ihn damit erpressen, Albert White umzulegen. Joe lässt es noch nicht zu, er sei kein Krimineller, nur ein Gesetzloser, auf diese Unterscheidung besteht er.Sein Leben ändert sich schlagartig, als er von Emma ausgeliefert wird, sie verrät ihn an Albert White, wohl um sein – aber nicht zuletzt ihr eigenes – Leben zu schützen. Joe muss ins Gefängnis, hier begreift er: Es reicht nicht, die Regeln zu brechen, du musst deine eigenen machen. Nach seiner Entlassung muss er den Tod von seinem Vater verarbeiten, er schließt sich der italienischen Mafia an. Hier hat er endlich die Möglichkeit auf Rache und Vergeltung an Albert White, die er letztlich auch bekommt. Immer wieder werden dabei geschickt und überraschend die Erwartungen des Zuschauers gebrochen, wodurch nach dem streckenweise etwas langatmigen Mittelteil zum Ende hin immer wieder eine gewisse Spannung gesät wird.
Ben Affleck war an Live by Night maßgeblich beteiligt, im guten wie im schlechten Sinn. Als Regisseur und Drehbuchautor im guten Sinn, denn vom schwarz-weiß gehaltenen Einstieg über authentische Kulissen, zum Beispiel die Drehorte in Bruinswick, bis hin zum ergreifenden Mord seiner späteren Frau Graciela verliert nichts an Authentizität. Ben Afflecks distanzierte und reservierte Art in der Rolle des Joe Cofflin, die Kälte, wirkt dagegen lähmend und erinnert zu sehr an seine Rolle als Batman. Diese irritierende Assoziation wird in seinen grösstenteils unemotionalen Reaktionen bestätigt. Er inszeniert sich als Phoenix Untergrund, einfach nicht zu ruinieren. Da helfen ihm auch Joes scharfsinnige Vorhersagen nichts, so richtig überzeugend wirkt Ben Affleck im seiner Rolle nicht. Er schafft es nicht, die charmante Art aus der Hauptfigur aus dem Roman In der Nacht von Dennis Lehane, auf dem der Film basiert, zu transportieren. Umso ausdrucksvoller und packender ist die Darbietung von Elle Fanning als Loretta Figgis, der streng gläubig gewordenen Aktivstin. Besonders in ihrem Dialog mit Joe, als sie ihren Glauben an Gott ausspricht, die Zweifel aber vom Gesicht nicht verborgen werden. Tue Buße, ist Lliriettqs Lösung für die Sünden, wenig später erfährt der Zuschauer von ihrem Freitod. Dieses religiöse Details wird am Ende aufgegriffen, als ihr Vater ihren Selbstmord an Joe rächt, hinterlässt dabei den Zuschauer mit der Frage nach Schuld. Geschickt werden Machtstrukturen verworfen, Klischees von Gesellschaftshierarchien im Untergrund bedient und wieder gebrochen, so dass der Zuschauer immer wieder von der Inszenierung affektiert und berührt wird. “Der Himmel ist hier unter uns“, sagt schon Llirietta vor ihrem Tod. Gemäß diesem Credo hinterlässt auch das Ende, als nur Joe nur noch sein Sohn bleibt, die Message: nutze und genieße jede Sekunde deines Lebens.