If I Weren’t Effective You Wouldn’t Hate Me
— Eine Kritik von Natalie Braun —
Get Me Roger Stone, Dylan Bank, Daniel DiMauro & Morgan Pehme, USA 2017
Netflix Original Documentary, Starttermin 12. Mai 2017
Wer steckt hinter dem Erfolg von Donald Trump? Das ist eine Frage die, zu Zeiten der nicht abreißenden Flut an Skandalen rund um den 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten, immer wieder zum Thema wird. Wie konnte seine unkonventionelle und scheinbar desaströse Wahlkampagne erfolgreich sein? Ein Mann, der seit 30 Jahren auf eine Präsidentschaft von Donald Trump hinarbeitet, ist Roger Stone. Man sagt ihm nach, er habe die politische Figur Donald Trump geschaffen.
Roger Stone ist in Deutschland weitgehend unbekannt. Dabei bezeichnen ihn manche US-Journalisten als den Forrest Gump der jüngeren amerikanischen Politik-Geschichte. Richard Nixons Wahl, der Watergate-Skandal, Ronald Reagans Kampagne als Hollywood-Star zum Präsidenten, der Untergang der Reform Party, die Neuauszählung der Stimmen für Al Gore und George W. Bush, der Brooks Brothers Riot und schließlich die Wahl von Donald Trump: Roger Stone war an einer Vielzahl an politischen Schlüsselmomenten der letzten 50 Jahre beteiligt. Und im Gegensatz zu Forrest Gump handelt es sich bei Roger Stone dabei mit Sicherheit nicht um Zufall.
Der für Netflix produzierte Dokumentarfilm Get Me Roger Stone wurde am 12. Mai 2017 auf der Streaming-Plattform veröffentlicht. Er beschäftigt sich mit der imposanten Karriere von Roger Stone, der sich als Berater von hauptsächlich republikanischen Wahlkampagnen einen Ruf gemacht hat: Den Ruf eines skrupellosen und manipulativen Puppenspielers, der die Fäden im politischen Washington in den Händen hält. Eben diesen Ruf greift der Dokumentarfilm auf und beleuchtet Stones Arbeit chronologisch von Nixons Kampagne 1969 bis hin zu Trumps Wahlsieg 2016.
Bemerkenswert ist dabei, dass es sich nicht um eine unautorisierte Biografie handelt, gegen die der Protagonist versucht hätte, gerichtlich vorzugehen, wie es zu erwarten wäre. Der Film entstand unter der Beteiligung von Stone, der sich von den Filmmachern mit der Kamera zu verschiedenen Events begleiten und immer wieder interviewen lässt. Er genießt es, im Rampenlicht zu stehen. Umstehenden erklärt er die Präsenz der Kamera mit den Worten „These are liberal filmmakers, they can not be trusted!“ und grinst. Mit seinem schelmischen Grinsen wirkt er häufig vielmehr wie ein kleiner Junge, der Streiche ausheckt, als ein ernstzunehmender Politikberater. Darüberhinaus provoziert er gerne. Vorwürfe gegen ihn, im Zusammenhang mit dem Watergate-Skandal, bewertet er beispielsweise als „pretty cool“. Seinen umstrittenen Ruf scheint er zu genießen, denn es hebt ihn von der Masse ab. In den „Stone’s rules“, seinem selbstaufgestellten politischen Regelwerk, geht es immer wieder darum im Gespräch zu bleiben. Eine der Regeln lautet ganz im Sinne der Trump-Kampagne: „You have to be outrageous to get noticed“.
Vor Fotografen und Zuhörern nimmt Roger Stone immer wieder eine für ihn typische Pose ein: beide Arme in die Höhe gereckt, die Zeige- und Mittelfinger zu „Victory“-Zeichen gespreizt. Eine Pose die Nixon, den er sehr bewundert, während seiner Präsidentschafts-Kampagne geprägt hatte. Stones Sprache ist vor allem durchzogen von prägnanten Sätzen wie: „Politics is Showbusiness for ugly people“.
Die Filmmacher arbeiten in dem Dokumentarfilm mit Ausschnitten aus alten Fernsehbeiträgen und Interviews, Zeitungsausschnitten, der Verschriftlichung der sogenannten „Stone’s rules“ auf dem Bildschirm und Experten-Interviews. Neben Stone selbst treten einige seiner politischen und beruflichen Weggefährten wie Donald Trump auf, und Journalisten, die sich in Büchern und Artikeln seiner Karriere gewidmet haben. Ein Voice-Over durch einen Erzähler gibt es nicht und auch Musik wird nur sporadisch verwendet und beispielsweise unter eine Kollage von Video-Ausschnitten gelegt. Wenn Stone in einem ausgefallenen Maßanzug, Zigarre rauchend, auf der Dachterrasse eines Hochhauses steht und über den Beginn seiner politischen Karriere bei der Wahlkampagne von Richard Nixon spricht, braucht es keine Kommentare und keine Einordnung durch die Filmmacher. Die Bilder sprechen für sich und Stone ist ein absoluter Selbstdarsteller.
Aufgrund seiner Beteiligung an dem Dokumentarfilm ist natürlich zu hinterfragen, ob die Rolle, die er in manchen politischen Ereignissen gespielt hat, nicht ein wenig aufgebauscht wird. Es gibt jedoch eine Vielzahl an kritischen Positionen ihm gegenüber, insbesondere durch die interviewten Journalisten. Diese beschreiben, wie er es versteht, die Demokratie mit Hilfe der Medien zu beeinflussen und werfen ihm vor, das moderne Lobbying in der US-Politik erst salonfähig gemacht zu haben. Ihm wird auch zugeschrieben, George W. Bushs Wahlerfolg gesichert zu haben, in dem er Donald Trump 1988 dazu brachte, öffentlich eine Kandidatur für die Reform Party in Erwägung zu ziehen. Stones manipulativen Fähigkeiten sind hier mit denen des Frank Underwood aus House of Cards gleichzusetzen. Er wird immer wieder als eines der Vorbilder für die Serien-Figur gehandelt.
Zuletzt machte Stone Schlagzeilen mit Machtspielen innerhalb der Kampagne von Donald Trump, dem kurzzeitigen Zerwürfnis des Politikberaters mit dem Stab des neuen Präsidenten und seiner dennoch fortbestehenden Beratertätigkeit für dessen Regierung. Auch im Zusammenhang mit der Russland-Debatte um Trumps Wahlkampf-Team wird Stones Name immer wieder genannt.
Get Me Roger Stone klärt die Kontroverse um den Protagonisten nicht auf, der Film befeuert sie eher. Dabei sind die Filmmacher nicht belehrend, sondern zeigen anhand von Ausschnitten und Diskussionsthemen Stones Karriere und thematisieren das Auf und Ab seiner politischen Macht. Es entsteht das Bild eines politischen Beraters fern von Moral und Skrupel, der durch seine schelmische Art und sein strategisches Denken aber auch beeindruckt. Er selbst scheint Spaß daran zu haben, sich vor der Kamera mysteriös und provokant zu geben.
Trotz der recht langen Laufzeit des Dokumentarfilmes von zirka 100 Minuten wird er, dank des interessanten Materials, mit dem technisch und dramaturgisch besonders gut umgegangen wurde, nicht langweilig. Wen der kuriose Roger Stone noch nicht überzeugt, der sollte sich den gelungenen Film aufgrund des umfassenden Überblicks über bedeutende politische Kampagnen der letzten 50 Jahre, gipfelnd in einem emotionalen Rückblick auf die US-Wahlnacht 2016, ansehen.
Bei seiner Premiere auf dem Tribeca-Filmfestival 2017 wurde der Film von vielen Seiten gelobt. Roger Stone selbst jedoch wird die positive Rezeption durch das Publikum gleichgültig sein. Der Film endet mit der Frage aus dem Off, was Stone denjenigen Zuschauern sagen möchte, die ihn nach dem Abspann verabscheuen werden. Seine Antwort ist bezeichnend für seine Sicht auf die Arbeit in der Politik: „I revel in your hatred. Because if I weren’t effective you wouldn’t hate me“. Es ist besser, berüchtigt zu sein, als gar nicht berühmt.