Ist das Kunst oder darf das weg? Beuys – ein Film über einen Revolutionär der besonderen Art
— Eine Kritik von Stefanie Markert —
Der Film Beuys wurde im Rahmen der Programmkinotage des Vereins Kino ist Programm e.V. am 17. Juni 2017 im Foyer des Iwalewahauses in Bayreuth vorgeführt. Im Anschluss an den Film fand ein Filmgespräch für alle Interessierten statt. Die Kritik befasst sich mit dem Film als ein Event und dessen Einbettung in eine Kinoreihe.
Der Verein wurde 2014 gegründet und hat sich zum Ziel gemacht mehr Kino nach Bayreuth zu bringen. Die kinobegeisterten Vereinsmitglieder arbeiten daraufhin geeignete Räumlichkeiten für drei kleine Kinosäle, sowie Foyer und Kassenbereich zu finden. Momentan findet monatlich ein Programmkinotag im Foyer des Iwalewahauses, einer kulturellen Einrichtung in Bayreuth, statt. Im Rahmen dieser Kinotage werden Filmklassiker, B-Movies, Kunst- und Kinderfilme gezeigt, die gute Geschichten erzählen, schöne Bilder zeigen, interessante Figuren portraitieren oder berührende Themen ansprechen. Kino ist Programm möchte die Filmwelt jenseits Hollywoods nach Bayreuth holen. Die Filmauswahl richtet sich daher vorrangig an den Neuerscheinungen des deutschen und europäischen Arthouse-Kinos aus, ebenso wie an zeitgenössischen Produktionen des internationalen Independent-Kinos. Darüber hinaus werden durch Reihen beispielsweise zur Filmgeschichte, zu Filmautoren oder Schauspielern sowie zu bestimmten Nationalkinematographien temporäre Schwerpunkte gesetzt. Neben Beuys wurden an den Programmkinotagen im Juni 2017 noch die Filme Moonlight, Free Fire und Storm gezeigt.
Der Film Beuys ist eine Homage an den Künstler Joseph Beuys und bietet tiefe Einblicke in die innersten Gedanken des Revolutionärs. Anlässlich seines 30. Todestages wurde der Film, in den über drei Jahre lang das ganze Herzblut des Regisseurs Andres Veiel geflossen ist, als Tribut an Beuys gedreht. Der Film besteht zu einem Großteil aus Bildern und Filmmaterial aus Archiven und ist mit aktuellen Experteninterviews gespickt, die interessante Informationen und Einblicke in Beuys privates Leben bietet. Abgesehen davon handelt der Film jedoch lediglich von Beuys Schaffen als Künstler und beleuchtet auffallend wenig Beuys familiären Hintergrund. Diese strenge Trennung finde ich persönlich als störend, da gerade eine schillernde und wandelbare Persönlichkeit wie Joseph Beuys nicht in Stücke gerissen werden sollte, sondern vielmehr in seiner Ganzheit betrachtet werden muss.
Abgesehen von dieser Schandtat kann man den Film als schillernd wie Joseph Beuys selbst beschreiben. Der rasante Rhythmus der Bilder wird hin und wieder durch eine stark kontrastierte Stille unterbrochen und schafft damit Verbindungen zu Beuys Leben, das auch beispielsweise durch seine schwere Krankheit abrupt unterbrochen wurde. Durch eine voice over Stimme wird der Zuschauer an die Hand genommen und sicher durch dieses scheinbare Gewirr an Bilder, durch die rastlose Kreativität Beuys geführt.
Ein besonderes Augenmerk legt der Film auf Beuys politisches Engagement – er wollte mit seiner Kandidatur das Lachen in den Bundestag bringen – und auf Beuys eigenwilliges Kunstverständnis. Der Künstler vertritt einen sozialen Kunstbegriff und ist der Auffassung, dass jeder Mensch ein Künstler ist und bereits die Idee eine Plastik darstellt, mit der die Welt verändert werden könne.
Im Anschluss an die Filmvorführungen luden die Expertinnen Dr. Marina von Assel und Dr. Nadine Siegert dazu ein, Fragen zu stellen und die eigene Meinung zum Film im Rahmen eines Filmgespräches vorzutragen. Zunächst führte Frau Dr. Assel durch den Lebenslauf des Künstlers. Die Leiterin des Kunstmuseums in Bayreuth beschäftigte sich bereits 1993 in ihrer ersten Museumsausstellung „Wenn jemand meine Sache sieht, dann trete ich schon in Erscheinung“ mit dem Künstler Joseph Beuys. In ihrer Funktion als Expertin konzentrierte sich Frau Dr. Assel während des Filmgesprächs darauf zunächst wenige wesentliche Punkte seiner Biographie, wie beispielsweise sein Studium der Bildhauerei in Düsseldorf, seine schweren Depressionen, seiner Unzufriedenheit mit der Konzeptkunst und seine Involviertheit mit der Fluxus-Komponente. Die Erläuterungen klärten besonders beim jüngeren Publikum, welches nicht mit Joseph Beuys als Zeitgenossen vertraut waren, offene Fragen. Im weiteren Gespräch stellte die Veranstalterin besonders das neu erwachte Interesse an Beuys, welches in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen ist heraus und führte den Punkt an, dass diese Zunahme daran liegen könne, dass die Kunst sich momentan in einer erneuten Umbruchphase befinde.
Anschließend gab die stellvertretende Leiterin des Iwalewahauses, Dr. Nadine Siegert, einen Überblick über die im Rahmen des Films Beuys entworfene Pup-up Ausstellung über den Beuys-Schüler EL LOKO. Die Werke konnten im Anschluss an das Filmevent im Foyer des Hauses besichtigt werden. In einigen seiner Werke nimmt der afrikanische Künstler, der 2001 das erstmal seine Werke auf einer documenta ausstellte, Bezug zu Beuys.
Als dritten Teil des Filmgesprächs war es dem circa 35-köpfigen Publikum möglich sich über den Film auszutauschen, Fragen zu stellen und diese gemeinsam zu diskutieren. Hierbei kamen unter anderem Bayreuther zu sprechen, die persönlich mit Joseph Beuys zusammengearbeitet haben, bzw. die bei ihm gelernt haben. Diese persönlichen Eindrücke ermöglichten eine spezielle Sichtweise auf Beuys und machten den Künstler noch greifbarer, als er bereits durch den Film zu sein schien. Abschnittsweise gefilmt wurde der Abend im Rahmen eines studentischen Filmprojekts der Medienwissenschaften der Universität Bayreuth.
Die erste Frage die sich den Zuschauern stellte war, ob man bei diesem Film tatsächlich von einem Film oder eher von einer Dokumentation sprechen könne? Die Antwort ist eine Mischung aus beidem: es handelt sich um einen kunstgeschichtlichen Film, der nahe an der Person Joseph Beuys orientiert ist und ihm sogar in Form von Interviewbeiträgen aus dem Archiv zu Wort kommen lässt. Die weiteren Fragen richteten sich hauptsächlich an gegenwärtige Kunstszene, beispielsweise ob es aktuelle deutsche Künstler gäbe, welche die Gegenwart kritisch kommentieren, oder ob man für ein kritisches Kunstverständnis den Blick z.B. nach Afrika richten müsse. Diese und weitere Fragen brachten eine fruchtvolle Diskussion zwischen den Zuschauern zustande und führten zu einer gewissen Verbundenheit des Publikums. Diese Verbundenheit lassen andere Kinobesuche trotz des gerade gemeinsam erlebten Filmes meist missen. Als kleines Fazit der Diskussion lässt sich Beuys erstaunliche politische Verankerung anführen, die sich beispielsweise in der Systemkritik und der Kritik am Kapitalismus äußern und bis heute noch ungeklärt im Raum stehen. Beuys Kunstverständnis bereits seiner Zeit weit voraus und wird vermutlich auch unser heutiges Verständnis überdauern.
Die Atmosphäre während des Films und des anschließenden Filmgesprächs kann nicht mit einem einzigen Wort beschrieben werden: es herrschte eine hitzige, wissbegierige und fast schon sehnsüchtige Stimmung im Raum und ich kann mit voller Gewissheit sagen, dass sich der Abend für die meisten Besucher zu einem bewegenden Event gestaltet hat, welches sie so schnell nicht vergessen werden. Es schien fast, als wäre Joseph Beuys unter uns gewesen.
Der Film ist ein absolutes Muss für jeden Kunstliebhaber und eine lehrreiche Erfahrung für jedermann. Ein kurzer Blick sollte jedoch vorher auf Beuys biographische Eckdaten geworfen werden, um den Film in vollen Zügen folgen zu können. Die offizielle Webseite zum Film Beuys bietet beispielsweise umfangreiches Zusatzmaterial zum Film. Es werden Werklisten der im Film behandelten Werke aufgeführt, ein Überblick über das Leben Joseph Beys gegeben und Bilder zum Herunterladen zur Verfügung gestellt.