Der Nachklang von Josef Beuys Protestkunst

Über eine Filmvorführung von Beuys (2016) im Iwalewahaus Bayreuth mit einem Filmgespräch.

— Eine Kritik von Anna Willkommer

Andreas Veiel zeigt in seinem Dokumentarfilm Beuys (2016) Josef Beuys als Künstler, Gesellschaftskritiker und Aktivist. Rare Interviews, Bild- und Tondokumente bilden nahezu unkommentiert einen Einblick in die Intention des künstlerischen Schaffens von Beuys und in seine Vorstellung von der Gesellschaft. Nicht gezeigt wird der familiäre Hintergrund, seine Entwicklung im Kriegstrauma oder Genaueres über seine Herkunft. Er klammert wesentliche Themen aus Beuys Leben dabei aus, wie die plastische Kunst, oder der mehr oder weniger bekannten Neigung des Künstlers zum Patriarchischen. Vielmehr beleuchtet der Regisseur, wie Beuys Kunst als Werkzeug zur Verbreitung seiner Ideologien nutzen wollte, bringt dabei die Emotionen und Gedankengänge des Exzentrikers. Museen zeigen Beuys Werke, doch die Filzrollen, Glühbirnen und Hasenfiguren erzählen nicht die Intention und geben durch ihre Beschreibungen und Interpretationen nur einen kleinen Einblick in die politischen und philosophischen Hintergründe. Und gerade die werden im Dokumentarfilm herausgearbeitet und aufbereitet, wie zum Beispiel das Documenta-Projekt „7000 Eichen“ oder Beuys Aktion, sich fünf Tage lang in einer New Yorker Galerie mit einem Kojoten einzusperren. Seine Botschaft: die Kunst steht der Ökonomie gegenüber, als Einflussmittel, das eine Veränderung in der Einstellung der Gesellschaft gegenüber Geld und Macht erreichen soll. Beuys erfand dafür die Kunst neu, außerhalb der Ästhetik als „Rahmenbegriff“, sondern als politisches Mittel.

Andreas Veiel zeigt mehr als zu erklären, er die meiste Zeit über überlässt er Beuys selbst das Wort. Als Regisseur lässt Veiel dabei Zweideutigkeiten bestehen, wie genau er zum Nationalsozialismus stand, oder wie seine Kunstwerke finanziell entlohnt wurden, da er als teuerster internationaler Künstler seiner Zeit galt. Der politische Beuys dagegen wird umso offener beleuchtet, sein Kampf inmitten der Mächte der alten Bundesrepublik:

Ich bin nicht dazu da, die faulen, stinkenden Systeme noch zu dekorieren.

„Jeder ist ein Künstler“ – als sozialer Künstler wurde er mit dieser Aussage oft missverstanden. Der Dokumentarfilm soll helfen, das geradezubiegen, indem Beuys sich selbst erklärt und den politischen Willen hinter seiner Kunst zeigt, eingebettet in Interviews mit Zeitzeugen und Weggefährten wie sein Schüler Johannes Stüttgen oder sein Förderer Franz Joseph van der Grinten. So entsteht ein intimer Zugriff zu Beuys, der immer nah am Menschen bleibt. Der Regisseur arbeitet dabei mit akustischen Mitteln und verleiht dem Film Lebendigkeit, vor allem authentische Eindrücke wie sein berühmtes, langgezogenes „Ja, ja, ja, ja. Ne, ne, ne, ne“, das immer wieder eingespielt wird, genauso wie das Klingeln eines Telefons, bleiben im Gedächtnis.

Der Film Beuys fällt in die klassische Programmauswahl des Iwalewahauses, in das der Verein Kino ist Programm e.V. versucht, ein Stück „Filmwelt jenseits Hollywoods“ Bayreuth zu holen. Die Initiative beschränkt sich bei der Auswahl auf deutsche und europäische Neuerscheinungen des „Arthouse-Kinos“ oder internationalen „Independent-Kinos“, teilweise mit thematischen Schwerpunkten oder internationalen Kooperationen. Die Initiative ergänzt zum Beispiel Vorführungen mit Vorfilmen und erweitert das Angebot mit Foren wie dem Kinostammtisch oder Workshops. Bei Beuys erweiterte eine Kombination aus Vorträgen und einer Publikumsdiskussion die Filmerfahrung. Unter Moderation führten Dr. Marina von Assel, Leiterin des Kunstmuseums in Bayreuth und Dr. Nadine Siegert, der stellvertretende Leiterin des Iwalewahaus, ihre Erfahrungen mit der Filmrezeption und den Anschauungen des Künstlers im Allgemeinen. Die Einschätzungen der Kunsthistorikerin Marina von Assel beruhen auf den Erfahrungen aus ihrer Museumsausstellung zu Josef Beuys im Jahr 1993, „Wenn jemand meine Sache sieht, dann trete ich schon in Erscheinung.“ Anschließende Ausführungen von Dr. Nadine Siegert über EL LOKO, einem von Beuys Schülern, und einer Pop-up-Ausstellung seiner Werke ergänzten das Bild von Josef Beuys künstlerischem Erbe.

Die Diskussion im Publikum zeigte, dass vor allem der Eindruck bestehen blieb, dass wichtige Themen wie Beuys Einstellung zum Nationalsozialismus oder die finanziellen Angelegenheiten, nicht gezeigt wurden. Vielen waren Themen wie der Fluxus und die Studentenunruhen noch im Gedächtnis, viel mehr aber auch nicht. Durch das Material, das gar nicht oder nur sehr wenig bisher gezeigt wurde, — neue Perspektive auf den Künstler. Es entstünde so ein überwiegend positives Bild, ganz nah am Menschen Josef Beuys. Dadurch werde seine oft übertriebene Selbstinszenierung authentischer und nachvollziehbarer. Auch bei Rezipienten, die mit Beuys Ausstellungen bisher wenig anfangen konnten, da dort nicht seine Intention nicht transportiert werden könne, entstand ein Interesse an dem Künstler. Ein Kritikpunkt war der Tenor unter den Zuschauern, akustisch zu wenig von den Gesprächen verstanden zu haben. Somit ging womöglich ein Wirkungspotential des Films verloren, aber auch womöglich durch den Umstand, dass der Saal bei der Vorführung nicht komplett abgedunkelt war, und so nicht ganz der semi-regressive Zustand und der verstärkte Realitätseindruck unter den Filmrezipienten entstehen konnte, der möglich gewesen wäre. Nach der Vorführung stehen unter den Rezipienten die Fragen im Raum: Welche Erfahrungen machte Beuys in seiner Jugend? Wie kam er zur Kunst? Die beantwortet der Film nicht. In Bezug auf Themen wie die Glaubwürdigkeit der Politiker seien die Fragestellungen auch heute noch relevant, vor allem sein Fokus auf System- und Kapitalismuskritik. Im Forum wurde das Fazit deutlich: Ein toller Film. Und eine wichtige Erinnerungsarbeit. Noch interessanter wäre eine kulturelle Vermischung der Reflexionen des Films wie zum Beispiel bei Besprechungen in internationalen Zusammensetzungen des Publikums, vor allem da er in den USA und Europa mit unterschiedlichen Meinungen wahrgenommen wurde.