„Wenn jemand meine Sache sieht, trete ich schon in Erscheinung“

— Eine Kritik von Alexandra Frey

Ich war wirklich neugierig und gespannt auf den Filmabend im Iwalewahaus. Dort zeigte „Kino ist Programm“ am 17.06.2017 den Film zu Joseph Beuys. Ein freundlicher Empfang und eine einladende Eingangshalle verstärkte meine Vorfreude noch. Ich wusste nicht wirklich was mich erwarten würde, war ich ja noch nie zu einer Veranstaltung von „Kino ist Programm“ oder im Iwalewahaus. Meine Erwartungen zum Vorstellungshaus waren nicht groß, da ich mit einem verstauben kleinen Vorstellungsraum und nur wenig anderen Kinogästen rechnete. Allerdings bestätigte sich zum Glück keiner dieser Befürchtungen. Ein Blick auf die weitere Programmauswahl des Veranstalters zeigte neben dem Oscargewinner Moonlight einige weitere Nischenfilme, welche sich nicht dem Blockbuster Kino Hollywoods beugen. So werden im Juli zum Beispiel Filme wie Innen Leben (Publikumspreis der Berlinale) und Gimme Danger von Kultregisseur Jim Jarmusch gezeigt. In dem Film Innen Leben von Philippe Van Leeuw, geht es um die resolute Oum Yazan, welche während des syrischen Bürgerkriegs versucht in ihrem zu Hause, ihre Familie in Sicherheit zu halten und den Lebensalttag fortzusetzen.  Der Film Gimme Danger befasst sich mit den Wegbereitern des Punkrock Iggy Pop und The Stooges. Trailer beider genannten Filme wurden vor dem Hauptfilm Beuys den Zuschauern präsentiert und machten so Lust auf mehr. Die Auswahl beider Filme zeigt wie vielfältig die Filmwahl von „Kino ist Programm“ ist und, dass sich ein Besuch immer lohnt.

Während ich nun das Programm studierte und mir auch einige Prospekte zu Beuys durchlas, fühlte sich der Raum, oder besser gesagt die Halle, immer mehr mit Menschen. Die Veranstalter selbst hatten wohl auch nicht mit so einem Antrag gerechnet, da einige der Besucher leider auf einen Sitzplatz verzichten mussten. Minus 1 für die Planung der Sitzplätze, Plus 1 für Beuys und das Interesse an seinem Film. Allerdings konnten Besucher ohne Sitzplatz ihre Frustration schnell mit dem reichen Angebot an Snacks und Getränken befriedigen.

Mit dem zeigen der Filmtrailer wurde zu meinem eigenen Bedauern leider schnell bewusste, dass die Akustik des Raumes, wie schön er auch war, und die Qualität der Soundanlage leider zu wünschen übrigließ. Allerdings gewöhnte man sich mit dem Verlauf des Films daran.

Der Film zeigte zu Beginn Beispiele für Beuys Aktionskunst. Diese stimmten den Zuschauer sofort auf Beuys ein und zeigten wie ungewöhnlich nicht nur seine Kunst war, sondern auch wie ungewöhnlich dieser Film werden würde. Die Tatsache, dass ich die ganze Zeit von Film spreche und nicht von Dokumentation, Biopic, Reportage usw. ist absolut kein Zufall. Eines der ersten Dinge, welche mich mit dem Film beschäftigen war, dass ich eben nicht klar zuordnen konnte um was ein Filmgenre, eine Filmart, es sich nun eigentlich mit Beuys handelte. Auch die Frage ob dies vom Filmemacher so gewollt war, da viele Menschen auch in Bezug auf Beuys Kunst nicht sicher sagen konnten um was es sich nun hierbei handelte, konnte ich nicht beantworten. Der Film lässt den Zuschauer immer wieder verwirrt zurück ohne Aussicht auf Erklärung. Die Interviewausschnitte mit Beuys selbst und Personen aus seinem Leben oder Betrachter seiner Kunst, zeigen positive und negative Meinungen zu seiner Kunst und seiner Person. Der Film beschönigt ihr nichts und verleiht Beuys keinen Heiligen Schein, wie dies ja leider oft in anderen Produktionen über Künstler getan wird. Dies ist zweifellos einer der Stärken des Films. Der Film zeigt, mehr oder weniger chronologisch, bestimmte Projekte, Kunstwerke und Lebensabschnitte, welche Beuys im Laufe seiner Schaffenszeit erstellte und durchlief. Der Zuschauer erhält Einblicke in Beuys Kriegsdienst als Pilot und seinem Flugzeugabsturz. Auf seine darauffolgende Genesungszeit führt man seine Vorliebe für Fett zurück und sein interessantes äußeres Erscheinungsbild. Wie einer der Redner sagt, hatte Joseph Beuys ein Gesicht, dass man nicht wieder vergaß. Ein Projekt, welches Beuys besonders viel bedeutete, und im Film besonders ausführlich dargestellt wird, war 7000 Eichen. In diesem Projekt lies Beuys 7000 rechteckige Steine auf ein Feld schütten, welche symbolisch für jeweils eine Eiche standen. Jedes Mal, wenn im Namen dieses Kunstwerkes von Beuys irgendwo auf der Welt eine Eiche gepflanzt wurde, wurde ein Stein vom Haufen entfernt und neben die jeweilige gepflanzte Eiche positioniert. Das Resultat dieses Projekts und seine Verwandlung und Entstehung, verleiht der Aktionskunst eine völlig neue Dimension. Während sich andere Performances von Beuys manchmal in Sekundenbruchteilen abspielten, ereignete sich dieses Projekt über Jahrzehnte hinweg, über Jahrzehnte konnte man beobachten wie der gewaltige Steinhaufen Stück für Stück weiter stumpfte.

Immer wieder zwischengeschnitten wurden Ausschnitte aus Beuys Kunstalltag, mit Bildern seiner Zeit an der Universität oder bestimmten Performances. Dies führt zwischenzeitlich immer wieder zu sehr lauten oder sehr leisen Abschnitten, welche versuchen die Aufmerksamkeit des Zuschauers aufrecht zu halten, mit mehr oder weniger Erfolg.

Wie Interessant die Informationen zu Beuys Kunst und die Meinungen zu ihm auch waren, der Film hatte mehrere Punkte, welche ein Ende vermuten ließen, und den Zuschauer verwirrt zurückließen, wenn dies doch nicht kam. Das führte dazu, dass der Film sich etwa ab dem letzten Drittel unwahrscheinlich zu ziehen schien. Nach dem Ende des Films hatte ich das Gefühl, es wären drei Stunden vergangen. Widersprüchlich dazu war allerdings, dass mir viele Informationen fehlten. Der Film ließ mich nicht nur verwirrt sondern unbefriedigt an Informationen und so mit offenen Fragen zurück. Viele Details aus Beuys leben, welche oft nicht gerade unbedeutend waren, wurden einfach nur angedeutet oder gar nicht angesprochen. So blieben Fragen wie: Handelt es sich bei der gezeigten Frau und den Kindern um seine Familie? War er überhaupt verheiratet? Unter welcher Krankheit, welche angedeutet wurde, litt er? Woran ist er nun gestorben? Diese Fragen mochten für Beuys Kenner leicht beantwortet werden, aber war man dies eben nicht, blieb man vorerst hilflos zurück.

Hier folgt nun die Rettung, dass Licht am Ende des Tunnels, aller derjenige welche zwar eine grobe Vorstellung davon hatten wer Beuys war, sich aber nicht als Kenner outen durften: das Filmgespräch.

Um meine Situation noch einmal zu unterstreichen, die erste Wortmeldung lautete wortwörtlich „Ich habe nur einen Bruchteil des Films verstanden“, und Nein, dies war nicht meine Bemerkung! Diese Wortmeldung wurde leider nicht von allen freundlich zur Kenntnis genommen, sondern von einigen Zuschauern und der Moderatorin des Abends mit einem nicht ganz so freundlichen Kopfschütteln notiert. Dieses herab Werten einer ehrlichen Meinung, war allerdings das einzig negative des Filmgesprächs. Der Zuschauer konnten seine Fragen zum Beispiel an eine Kunsthistorikerin, welche sich im Beuys auseinandergesetzt hatte, richten, welche diese auch mit viel Begeisterung beantwortete. Es herrschte nicht ein einziges Mal ein Schweigen und ein Mangel an Fragen und Antworten. Viele der gestellten Fragen, entsprachen auch meinen eigenen, und führten zu einer Erklärung verwirrender Elemente und Lücken des Films. Es waren auch Personen anwesend, welche Beuys persönlich gekannt hatten und einige Anekdoten über ihn erzählen konnten, was das Filmgespräch noch weiter aufwertete. Die Frage, um was für einem Film es sich denn nun mit Beuys handelt, wurde auch gestellt und reichhaltig diskutiert, aber nicht eindeutig beantwortet. Leider wurde das Gespräch nach einiger Zeit abgebrochen da bereits die nächste Filmvorführung in den Startlöchern stand und noch Zeit zur Betrachtung von Ello ko’s Kunst gelassen werden sollte. Bei Ello ko handelt es sich um einen afrikanischen Schüler Beuys, dessen Kunst im Vorführraum ausgestellt wurde und dessen Betrachtung einen passenden Schluss des Filmeabends darstellte.

Alles in Allem stellte der Film ein Werk dar, dass wohl vor allem für Beuys Kenner konzipiert war, aber durch die bereichernden Filmgespräche nach dem Film, den Zuschauer mit einem positiven Gefühl aus dem Kinosaal schreiten ließ.