Der kosmische Horror in Alien: Covenant
— Eine Kritik von Mirko Hanel —
Wer Horror liebt, der weiß schon lange, dass man Abstriche machen muss. Zu gerne greift die Filmindustrie zu einfachen Schreckmomenten und zu stumpfen Grusel-Fertig-Mischungen. Seit dem Erfolg von Blair Witch Project versuchen die großen Studios, mit kleinen Geldmengen riesige Gewinne zu erzielen. Selten genug findet man einen guten Horrorfilm, der seiner Tradition treu bleibt und dabei gezielte Innovationen wagt. Alien: Covenant schafft es, gekonnt diese Brücke zu schlagen und inszeniert den Kult-Mythos um den ikonisch schwarzen Xenomorph ein weiteres Mal.
Dabei war es für Ridley Scott enorm heikel, das Franchise auf Wege zu führen, die dem Publikum gefallen und gleichzeitig nicht plump nacherzählen, wie etwa StarWars: The Force Awakens – selbe Story, andere Figuren. Alien: Covenant erfindet das riesige rollende Rad nicht neu: Natürlich schafft es das Wesen an Bord des Schiffes zu gelangen und natürlich wird jemand von einem Facehugger infiziert. Natürlich bezwingt die neue Ellen Ripley das Alien. Das muss so sein. Die Innovation liegt im Detail. Das Alien Franchise selbst ist infiziert. Was sich in den früheren Filmen nur gegen die Magenwände der Filme stemmte, bricht nun endlich in all seiner schleimigen uralten Art aus den blutigen Eingeweiden des Films und zeigt sein schreckliches Gesicht: der Lovecraftian Horror.
Wo zuvor Prometheus noch versuchte alte Zivilisation zu thematisieren, da besinnen sich Ridley Scott und sein Team wieder auf das, was den Horror in sich trägt. Das Unbekannte. Die Bedrohung dort draußen in der Unendlichkeit der Galaxie, die wir niemals verstehen können. Die Figuren kämpfen in Alien um ihr Überleben, um letztendlich vor dem überwältigenden apokalyptischen Potenzial der Xenomorphs zu versagen. Niemals können sie die Bedrohung ganz verstehen, nur für die Zuschauer*innen zeigt sich zwischen den Werken ein größeres Bild, genau wie bei den Werken von Howard P. Lovecraft. Darin, wie groß diese Bedrohung ist, liegt der wahre Horror. Alien: Covenant hat genau diesen Horror gefunden.
Er befindet sich in der Figur des Androiden David, gespielt von Michael Fassbender. Wie ein verrückter Wissenschaftler bastelt dieser, tief in der Nekropole, inmitten erstarrter Leichenmassen der uralten Rasse der Engineers, an einer Weiterentwicklung der tödlichen Lebensform der Aliens. In kruden, makabren Zeichnungen, zwischen sezierten Leichen von fremden Wesen, darunter auch sein ehemliage Begleiterin, malt und werkelt er bei Kerzenlicht. Eingeschlossen von schweren Steinmauern erkennt David seine wahre Bestimmung: Er macht sich selbst zum Richter allen Lebens und züchtet in der Dunkelheit das perfekte Wesen.
An die Stelle des erklärenden Modus anderer Filme aus der Reihe, tritt nun der Wahnsinn des falschen Menschen und seine tödliche, gottlose Schöpfung. Was hier nicht erzählt wird, nicht dargelegt wird, ist wie David seine Schöpfung kreierte. Das ist das vielleicht schaurigste Element des Films. Die Erzählgewalt bleibt hier den Bildern selbst überlassen, dem Schauspiel und dem Gesamtzusammenhang der Alien Filme. Diese Ellipse ist in seinem Kern ein Liebeslied an den okkulten Horror.
Diesen Horror trägt Michael Fassbender den gesamten Film über auf seinen schönen Schultern. Seine Darstellung der beiden unterschiedlichen Androiden täuscht über die Ungereimtheiten des restlichen Casts hinweg. Aufgesetzte Liebesplots und konfuse Figurenkonstellationen sind spätestens in dem Moment verziehen, wenn David Walter küsst – beide gespielt von Michael Fassbender. Obwohl einige Schauspieler hölzern wirken, lässt Fassbender uns immer wieder einen Funken Menschlichkeit in seiner androiden Hülle vermuten. Schön, dass sein Androidenkörper ist unsterblich und er uns auch für die Fortsetzung erhalten bleibt.
Alien: Covenant ist dabei auf keinen Fall ein Meisterwerk. Aber es ist verspielt, traut sich den Weg zu seinen Wurzeln. Wer Alien liebt, sollte ihn bereits gesehen haben. Wer Lovecraft liebt, kommt nicht drum herum. Zweifelsohne gab es für letztere, zu denen ich mich ebenfalls zähle, kaum gute Filme. Schon gar keine mit großem Budget. Der Film ist neben seinen okkulten Motiven noch immer organisch, schleimig, unbändig, laut und an den richtigen Stellen ohrenbetäubend lautlos.
Jed Kurzel zaubert mit seinem Soundtrack das Beste aus Dark Ambient und Orchester zu den wunderschönen Bildern. Er schafft es, dass das Blut durch die Adern rauscht, während garstige Biester durch metallene Gänge gejagt werden. Die tiefen wabernden Töne erinnern immer wieder an die unterschwellige Bedrohung. Klangschalen umschwirren die tiefen Trommeln, die den Herzschlag antreiben.
Alles das gipfelt in einer glorreichen Szene: dem Kuss von David und Walter. Dieser dient nicht als Schocker, gleichwohl er in China herausgeschnitten wurde, sondern suggeriert auch die Andersartigkeit der Droiden und das apokalyptische Gewicht der Situation. So ist die Liebe von Protagonisten im Lovecraftian Horror oft verbunden mit dem nahenden Übel: Wenn Walter dann mit Davids Flöte spielt, weiß man als Freund dieses Genres bereits, dass das Ende naht. Nicht nur wegen der phallischen Implikationen und der sexuellen Spannung im narzisstischen Kuss der beiden Androiden. Wichtiger noch: Die Flöte ist ein Symbol im Mythos von Lovecraft. Sie ruft Lovecrafts Azathoth, einen alten Gott, der jenseits der Sterne vom Untergang allen Lebens träumt. Dieser Gott bittet die beiden Androiden zum letzten Tanz. Zu den windenden Leibern der bereits verdammten menschlichen Rasse, zwischen den bereits starren Toten der alten Rasse, da erzählt ihr Flötenspiel von diesem uralten Gott, der den Untergang bringen soll. Der Genozid, welcher zuvor im Flashback gezeigt wurde, wird sich bei den Menschen in den nachfolgenden Filmen der Reihe ebenfalls abspielen.
[O]utside the ordered universe […] the boundless daemon sultan Azathoth, whose name no lips dare speak aloud, and who gnaws hungrily in inconceivable, unlighted chambers beyond time and space amidst the muffled, maddening beating of vile drums and the thin monotonous whine of accursed flutes.– Lovecraft, The Dream-Quest of Unknown Kadath
Wer es also wagt, ein wenig über den Text hinauszugehen, wird belohnt. Wer sich aber an den ungeschliffenen Stellen des Juwels stört, dem bleibt die Schönheit des Werkes, dem Glanz dahinter, verwehrt. Denn erst auf den zweiten Blick entfaltet sich Alien: Covenant zu dem was es ist: ein flötenbegleitetes petrarkisches Liebeslied an einen alten Freund, Howard P. Lovecraft.